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Das erste Mal. Oder: Woher soll ich das wissen?

 

 

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Es ist schon ziemlich lange her. Wenn ich cool wäre, wenn ich richtig cool wäre, würde ich sagen, ich war vierzehn und sie noch etwas jünger. Aber um ehrlich zu sein: Ich war um Einiges älter. Und sie natürlich auch. Und besonders cool war ich auch nicht. Ist ja aber auch egal. Letztlich waren wir allein bei ihr zu Hause und wir wollten das tun, was man halt tut, wenn man möglichst älter als dreizehn oder vierzehn und die Gelegenheit günstig ist, weil die Eltern gerade mal übers Wochenende verreist sind.

Ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage: YES! Es geschah tatsächlich und es kam eben, wie es kommen musste. Sie hatte gar nichts an – but the radio…

Mein erstes Mal! Es war ein wunderbares, ein fantastisches, ein rundum befriedigendes Erlebnis! Nein. War es nicht. Eigentlich erinnerte es eher an Technisches Werken als an romantisches Neuland: Wir tüftelten, pulten, hantierten und schraubten an uns herum. So mühten wir uns also aneinander ab, während der Spaß an diesem Abend offensichtlich andere Termine hatte. Schließlich fragte sie: „Sag mal, meinst Du, das muss so?“ Und ich sagte:

„Baby, ich weiß es nicht. Um ehrlich zu sein, ich mach das hier zum ersten Mal. Ich habe keine Ahnung, an welchen Knöpfen man drehen muss, damit die Geschichte funktioniert. Aber irgendwie kriegen wir das schon hin!“

 

Einige Zeit später saß ich auf dem Fahrersitz und neben mir der Fahrlehrer. Er war wohl ein mutiger Mann, allerdings wusste er auch nicht, dass ich noch nie auf einem Fahrersitz gesessen hatte. Er hielt es für eine gute Idee, rückwärts Fahren zu üben. Mir war nicht einmal im Ansatz klar, dass man die Geschwindigkeit auch mithilfe der Kupplung regulieren kann. Also gab ich Gas. Mein Fahrlehrer konnte gar nicht so schnell bremsen wie der Baum auf uns zukam. Also bremste der Baum. Ein Aufprall, ein Krachen, wir standen. Mein Fahrlehrer glotzte mich an. Völlig fassungslos glotzte er mich an. Und nach einer Weile fragte er: „Sach mah, meinssu, das musso?

 Und ich sagte:

„Meister, ich weissas nich. Um ehrlich zu sein, ich mach das hier zum ersten Mal. Ich habe keine Ahnung, an welchen Knöpfen man drehen muss, damit die Geschichte funktioniert. Aber irgendwie kriegen wir das schon hin!“

 

Und genau diese Dinger passieren mir immer wieder.

 

Und deshalb frage ich jetzt Dich: Geht Dir das eigentlich auch so? Ich meine, kennst Du das auch? Der Zug fährt ein und Du hast das Gefühl: ’Ich springe jetzt davor?’ Ist so was normal?

Und ein Bettler spricht mich an und fragt mich nach ’nem Euro und erzählt irgendwas von einem Zugticket und er bräuchte noch Dreisechzig. Und natürlich weiß ich, dass er dieses Ticket wahrscheinlich nie lösen wird. Und dass ich vermutlich nur seine Sucht finanziere. Und dass das keine Lösung ist. Und dass es deswegen wahrscheinlich auch nicht richtig ist. Aber dann denk ich mir: Mann, der will oder muss jetzt halt ein Bier trinken. So what? Also geb ich ihm diesen blöden Euro, weil mir das trotz allem richtiger erscheint als falsch.

Und da ist diese Idee von der Idee. Gibt es was Besseres als für seine Idee, für seine Überzeugung alles zu geben? Gibt es was Besseres als für eine Überzeugung zu sterben? Gibt es was Blöderes? Was ist wichtiger – das, was ich bin, oder das, was ich will?

Und darf man eigentlich Nazis diskriminieren?

Und auf der Autobahn fahre ich an diesem Viehtransporter vorbei und eine Sau hält ihre Schnauze in den Fahrtwind. Wahrscheinlich, weil sie einfach noch mal ein bisschen frische Luft schnappen will, bevor sie zerlegt wird. Und ich finde das scheiße, dass sie zerlegt wird. Und zwar nach einem Leben, dass mit dem eigentlichen Verständnis des Wortes Leben nicht das Mindeste gemein hat. Und ich verfluche das Schwein und den Schlachter und dann fahre ich auf den nächsten Rastplatz und bestell mir einen Cheeseburger, weil ich trotzdem Bock auf Fleisch habe.

Und sind Kompromisse schlauer als Prinzipien? Oder ist es genau andersrum?

Und wo ist der Punkt, an dem man sagen darf: Dir haue ich jetzt auf die Zwölf!? Wenn ein Mann seine Frau verprügelt? Oder andersrum? Oder beide ihr Kind? Oder darf man so was grundsätzlich nicht? Gar nicht?

Und ja, natürlich liebe ich meine Freundin. Ja klar. Wen denn sonst? Aber da sind die Früchte in Nachbars Garten und Schneewittchen über den sieben Bergen... Denn Du bist diese Wunde, diese offene Wunde. Diese Wunde, die mich quält, weil Wunden halt quälen. Also denk ich nicht an Dich und ich gehe Dir aus dem Weg. Aber sobald ich Dich vergessen will, sobald sich Schorf bildet, friemel und knibbel ich an dieser blöden Wunde herum, weil es verlockt, an verschorften Wunden herumzupulen. Und ich höre nicht auf, bis es blutet. Dieser süße Schmerz. Einfach so lange pulen, bis es wieder blutet.

Ja, natürlich liebe ich meine Freundin. Aber, ey, bin ich denn hier der Einzige, dem das so geht? Bin ich denn der Einzige, der sich jeden Tag neu verlieben kann, auch wenn alles in Ordnung ist? Bin ich denn der Einzige, der immer alles verbockt? Der einfach überhaupt keinen Plan hat, was richtig oder falsch ist?

 

Leute, ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts. Um ehrlich zu sein, ich mach das hier zum ersten Mal. Ich habe keine Ahnung, an welchen Knöpfen man drehen muss, damit die Geschichte funktioniert. Aber irgendwie kriegen wir das schon hin!