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Ich brauch das Zeug nicht


 

Ja, es ist wahr – ich hör auf. Ich brauch das Zeug nicht. Ich bin bis in die Lungenbläschen motiviert, dem Marlboro-Man meine Freundschaft zu kündigen.

Zunächst heißt es Abschied nehmen. Ich rauche ein letztes Dutzend Zigaretten. Alle auf einmal. Geil. Ich glaube, ich sterbe. Jetzt und hier. Auch eine Möglichkeit, mit dem Rauchen aufzuhören.

Doch ich komme durch. Das war’s. Mein neues Leben beginnt genau jetzt. Ich bastle mir aus den soeben verdampften Kippen eine Halskette. Sieht klasse aus und riecht super. Wild entschlossen packe ich mein altes Leben zusammen – Restzigaretten, Aschenbecher, Feuerzeuge – und schmeiße den Kram direkt aus dem Fenster. Super. Jetzt erstmal eine rauchen. Ach nee, ist ja nicht mehr. Mist. Was mach ich denn jetzt? Trink ich halt ein Bier.

Irgendwie wird es Mittag. Ich bin ein sehr stolzer Nichtraucher. Seit drei Stunden bin ich jetzt ohne Zigarette – unglaublich, wozu der Körper eines Menschen fähig ist! Vor mir liegen sechs leere Flaschen Bier und meine selbstgebastelte Halskette, die ich bereits mehrfach abgeleckt habe. Eine signifikante Verbesserung meiner Lebensqualität stelle ich bisher nicht fest. Als ich mich bei dem Versuch ertappe, Kaffee in Klopapier zu rauchen, beschließe ich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Apotheker empfiehlt Nikotinpflaster. Diese könnten eine eventuell auftretende Gereiztheit abmildern. Freundlich aber bestimmt sage ich: „Na, dann gib her die Scheiße, Du Wichser!“ Er empfiehlt mir spontan drei. Ich nehme zwölf.

Nach zwei Stunden erhärtet sich mein Verdacht, das Ganzkörperjucken könnte auf die Pflaster zurückzuführen sein. Weitere drei Minuten später finden sich auf meinem Körper ein Dutzend kreisrund enthaarte Nikotinpflaster-Ex-Standorte. Islands of Epilation. Ich sehe aus wie der nordvietnamesische Regenwald nach einer Agent-Orange-Bombardierung.

Das ist alles nicht gut. Ich muss eine rauchen. Jetzt. Jetzt! Gehe rüber zu meiner Nachbarin und frage nach einer Zigarette. Sie sagt, sie sei gerade dabei, sich das Rauchen abzugewöhnen. Scheiße. Was für eine absurde Idee! Und warum gerade jetzt? Mist. Zumindest bekomme ich von ihr eine nikotinfreie Kräuterzigarette geschenkt. Das ist doch schon mal was! Zurück in meiner Wohnung stelle ich fest: kein Feuerzeug mehr da. Ahh, fuck! An der glühenden Herdplatte entzünde ich die Kräuterette; das ist erniedrigend. Es ist ungefähr so entwürdigend wie das Zusammenschütten und anschließende Trinken der Reste flüchtig ausgetrunkener Bierflaschen. Egal. Ich rauche. Alter, wie geil – ich rauche. Aber – what the hell ist das? Das Ding schmeckt, als würde ich einen Weihnachtsbaum inhalieren! Ätzend! Weg damit!

Ich mache mir das nächste Bier auf, lege mich auf mein Sofa und analysiere die Situation. Ich will mit dem Rauchen aufhören. Geht aber nicht. Also muss ich weiterrauchen. Aber wenn ich schon weiterrauchen muss, dann will ich es mir wenigstens so schwer wie möglich machen.

Plan 1: Ich darf erst wieder eine rauchen, wenn ich vorher eine Kräuterzigarette komplett weggequarzt habe. Also organisiere ich mir Kippen plus Nadelwald-Kräuteretten plus Feuerzeug. Einige Stunden später bei einem Spaziergang stelle ich fest, dass ich meine Krautlullen zu Hause vergessen habe. Oh Manno! Soll ich deswegen jetzt auf die richtige Zigarette verzichten? Mitnichten, Frau Schrader! Ich bin zwar ein konsequenter Mensch – aber ich bin kein Idiot! MacGyver-mäßig pflücke ich mir einen Kiefernweig und nehm ihn auf Lunge. Menschen starren mich an.

Plan 2: Ich darf erst wieder eine rauchen, wenn ich mir Schmerzen zugefügt habe. Keine gute Idee. Am Abend des Folgetages verfüge ich über neun Piercings, die in alle möglichen Körpereingänge getackert sind. Außerdem habe ich sämtliche Konterfeis der Aufstiegsmannschaft von 1977, das chinesische Alphabet und ein Arschgeweih auf dem Leib tätowiert. So geht es nicht weiter.

Plan 3: Ich darf erst wieder eine rauchen, wenn ich mir vorher etwas furchtbar Ekliges angetan habe. Konsumiere im Laufe der nächsten 48 Stunden die Best-of-Alben von Helene Fischer, Andrea Berg und Xavier Naidoo sowie sämtliche Staffeln des Dschungelcamps auf DVD. Langsam glaube ich auch, dass Rauchen der Gesundheit schadet. Und es macht einsam. Meine Nachbarn sprechen nicht mehr mit mir. Offenbar haben sie etwas mitbekommen. Ich muss die soziale Isolation durchbrechen. Es folgt:

Plan 4: Ich darf erst wieder eine rauchen, wenn ich eine gute Tat vollbracht habe. Seitdem spende ich mehrmals täglich Blut und Sperma. Ich sammle Pfandflaschen ein und verschenke diese an Pfandflaschensammler. Ich sammle Kröten ein und trage sie über die Straße. Ich sammle Senioren ein und trage sie über die Straße. Ich rette Kinder aus brennenden Waisenhäusern. Dabei kommt es in extremen Schmachter-Situationen auch durchaus vor, dass ich Waisenhäuser anzünde.

Ob ich mich für gescheitert halte? Tja, irgendwie schon. Aber was soll’s? Ich meine, ich rauche halt. Ist doch egal, oder? Leute, ich habe nie gesagt, dass ich zum Vorbild tauge. Andere bescheißen bei der Steuer oder tragen Pelz. Ich rauche. So what? Gibt Schlimmeres.