Der Kotzbrocken in Gold
Sehr geehrte Damen und Herren, Ladies and Gentlemen,
ich darf Sie herzlich begrüßen zu dieser Gala, auf der wie jedes Jahr der „Kotzbrocken in Gold“ verliehen wird. In den folgenden Minuten darf ich Ihnen die Nominierten für diese Auszeichnung vorstellen. Und so viel kann ich Ihnen schon verraten: Jeder der Bewerber hätte diesen Preis wirklich verdient.
Nominiert für den „Kotzbrocken in Gold“ 2012 ist: Ties Rabe, Senator für Schule und Berufsbildung in der Freien und Hansestadt Hamburg.
Ties Rabe hat kürzlich die 16-jährige Selenora Racipovic und ihren Bruder Usko für besondere schulische und musikalische Leistungen sowie als Musterbeispiele für gelungene Integration ausgezeichnet. Bereits auf dieser Veranstaltung war klar, dass die Roma-Familie Racipovic drei Wochen später nach Serbien abgeschoben werden würde. Die Proteste der anwesenden Mitschüler bezeichnete der Senator als störend beziehungsweise unpassend.
Ties Rabe weiß „geltendes Recht“ auf seiner Seite. Er weiß aber auch, wie Roma in Serbien leben. Nämlich in Baracken ohne Stromversorgung, ohne fließendes Wasser und sanitäre Anlagen. Sie erhalten meist weder Sozialleistungen noch eine Krankenversicherung. Schulbesuche sind nicht gestattet und sexuelle Übergriffe auf Roma-Mädchen sind an der Tagesordnung, denn sie gelten dort als Freiwild. Da Roma in Serbien keine Arbeit finden, müssen sie Altpapier und Schrott sammeln, um zu überleben. Der Tagensverdienst bewegt sich nicht selten im Centbereich. Alles, was sich die Betroffenen in den letzten Jahren an Wissen und Kompetenzen angeeignet haben, ist für die Katz.
All das weiß Ties Rabe. Doch anstatt die Jugendlichen zu schützen, verhöhnt Hamburg diese Menschen mit einer Urkunde. Und der Senator überreicht sie – mit Glückwünschen und einem Lächeln. Er weiß, was er tut.
Wie kann Senator Rabe in den Spiegel schauen? Ganz einfach – er stellt sich davor. Und dann lacht er sich wahlweise tot oder spuckt seinem Spiegelbild ins Gesicht.
Ties Rabe wäre zweifellos ein würdiger Preisträger.
Nominiert für den „Kotzbrocken in Gold“ 2012 ist: Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.
Für Olaf Scholz ist es nach 2001 bereits die zweite Nominierung für den „Kotzbrocken“. Damals noch als Innensenator auf Stimmenfang setzte er die Zwangsverabreichung von Brechmitteln bei tatverdächtigen Dealern durch, in deren Verlauf der Nigerianer Achidi John am 9. Dezember 2001 verstarb. Für den „Roten Olaf“ kein Problem – Achidi John war ein Schwarzer.
Nun also der zweite Versuch, den „Kotzbrocken in Gold“ zu gewinnen. Gegen alle Widerstände setzte er die Deportation von Boban, Slobodanka, Bonita, Selenora und Usko Racipovic durch. Bittbriefe und Petitionen konnten ihn dabei ebenso wenig aufhalten wie das Wissen darum, dass die minderjährige – und übrigens in Hamburg geborene – Selenora aus Angst vor der Abschiebung bereits unter Depressionen und Angstzuständen leidet.
Wir fassen zusammen: Der sozialdemokratische Bürgermeister Olaf Scholz schiebt traumatisierte Jugendliche in eine elende und gesundheitsgefährdende Zukunft ab, um deren Umstände er genau weiß und obwohl er die uneingeschränkte politische Macht hat, diese Menschen zu beschützen. Es ist eine Entscheidung bei vollem Bewusstsein. Er weiß, was er tut.
Olaf Scholz: ein echtes Brechmittel und somit ein sehr verdienter potentieller Preisträger.
Aber darüber hinaus gibt es noch weitere Nominierte:
Und ich stolper hier in Hamburg über Stolpersteine,
die erinnern sollen an totgeglaubte Folterschweine.
An Menschen, die regierten, die Menschen aussortierten,
die Menschen deportierten und sie eleminierten.
Und jedem, der diese Schande sah, war klar,
was hier, in diesem seinem Land geschah.
Vermeintlich falsche Herkunft, falsche Orientierung
reichten aus für Folter, Mord und Internierung.
Und Du winkst ab und sagst: „Das weiß ich schon.
Und ja, das war schlecht, aber was heißt das schon?
Heute ist hier alles anders, das waren völlig andere Zeiten
und man kann das nicht vergleichen und das kannst Du nicht bestreiten.“
Doch ich stolper hier in Hamburg über Stolpersteine,
die erinnern sollen an totgeglaubte Folterschweine.
Und ich sage: „Doch.“
Denn Unrecht bleibt Unrecht und Unrecht ist Unrecht.
Dies ist kein Film, keine Story – das hier ist echt.
Hier wird mit Menschen gespielt, Existenzen vernichtet,
Gesetze umgesetzt, der Rechtstaat wird verrichtet.
Und plötzlich ist die Nachbarwohnung leer,
die Juden sind weg. Na, geht doch, bitte sehr!
Oh, sagte ich die Juden? Die „Zigeuner“ sind weg,
in ein Auto gepfercht, ein bisschen Handgepäck.
Und Du findest das scheiße. Und Ihr findet das scheiße. Und ich finde das scheiße.
Doch Du schweigst. Ihr schweigt. Ich schweige.
Bin zum Aufstehen zu müde, zu träge, zu feige.
Und da ist nichts – keine Tat, keine Aktion.
Ein Leserbrief, Facebook-Klick, aber was bringt das schon?
Betroffenheit verhindert keine Deportation,
nicht damals und nicht in dieser Generation.
Unsere Lethargie ist Kapitulation.
Nominiert für den „Kotzbrocken in Gold“ heute und hier:
Bist Du. Seid Ihr. Bin ich. Sind wir.