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Emotional instabil

 

Sie sagen, ich sei leicht erregbar. Unausgeglichen und jähzornig. Sie sagen, ich reagiere aggressiv auf Frustration. Sie sagen, ich sei ungeduldig, taktlos und dominant. Und stolz! Ja, sie behaupten sogar, ich sei aufbrausend und streitsüchtig, dickköpfig, stur und herrisch. Es handele sich bei mir um eine Kombination aus emotionaler Instabilität und Extraversion. Manche vergleichen mich mit Louis de Funès, andere mit Josef Stalin. Sie sagen, mein Verhalten sei verwerflich und gesellschaftlich nicht tolerierbar. Sie sagen, ich sei ein Choleriker.

Was für ein Scheiß! Ey, was für ein Scheiß!

Ihr Pussies! Was bildet Ihr Euch eigentlich ein? Nur weil Ihr alle zu blöd zum Kacken seid, heißt das doch nicht...

Nein, Moment. Ganz ruhig. Was wollt Ihr mir denn? Ihr seid doch nur neidisch! Ich bin die perfekte Führungsperson. Ich bin willensstark, ich habe Ehrgeiz. Ich treffe Entscheidungen und ziehe sie durch. Hartnäckig, selbstbewusst und konsequent.  Ich habe Mut, bin furchtlos, ja kühn! Ich bin Praktiker. Da kann ich Euch halt nicht gebrauchen. Ihr mit Euren ständigen Zweifeln und Bedenken. Lächerlich! Tut, was ich sage – und alles ist gut!

Ist ja nicht so, dass ich die anderen nicht mag. Im Gegenteil! Frauen zum Beispiel sind super! Solange sie gut aussehen und mir nicht dazwischenquatschen! Oder meine Mutter. Ich sage immer: Red mir nicht rein – ich störe Dich ja auch nicht beim Saubermachen!

Ich weiß eben, was ich will. Und ich weiß, was ich nicht will. Und ich habe einen sehr aktiven Körper. Produziert ständig Adrenalin und Noradrenalin. Na ja, und das sorgt für Emotionen. Aufgestaute Emotionen. Extrem mächtige Emotionen! Und da kann es halt mal vorkommen, dass die Pferde ein klitzekleines Bisschen mit mir durchgehen. Ist doch völlig normal. Dann werde ich ärgerlich. Und zornig. Und dann werde ich wütend! Ja, was ich sinne, ist Schrecken, und was ich blicke, ist Wut!

Aber tut jetzt doch nicht so, als würdet Ihr Euch nie ärgern! Ihr traut Euch doch bloß nicht, einfach mal zu sagen, was Ihr scheiße findet! Lasst Euren Groll doch einfach mal raus!

Euch nervt es doch auch, wenn Euch der Busfahrer die Tür vor der Nase schließt und frech grinsend ohne Euch davon fährt. Da kriege ich so einen Hals. Sowas macht mich echt zornig. Und dann habe ich auch keine Lust, diese Wut in mich reinzufressen. Dann kann es vorkommen, dass ich böse werde. Und dann wird es laut und das finde ich auch vollkommen in Ordnung so!

Und ich werde sauer, wenn mir beim Bäcker der Kunde vor mir alle meine Lieblingsbrötchen wegschnappt. Und dann kaufe ich irgend so ein Scheiß-Graubrot. Und kaum habe ich den Honig draufgeschmiert, da fällt mir die Scheibe runter. Natürlich mit dem Honig nach unten! Dann ist nicht nur das Brot dahin, sondern auch noch der Teppich!

Oder wenn ich ganz entspannt Radio höre und sie spielen gerade mein Lieblingslied. Jede Wette: Mittendrin blendet sich der Typ vom Verkehrsstudio ein, um mir lang und breit zu erklären, dass es keine Störungen zu vermelden gibt! Ja, ist der Mann denn noch zu retten??

Oder wenn ich an der Schnellkasse stehe, um nur eben mein Sixpack und eine Schachtel Kippen zu bezahlen. Jedes Mal steht da ein Typ, der sein Klopapier unbedingt mit seiner bekackten EC-Karte bezahlen muss, was aber nicht funktioniert, dafür aber das gesamte bekackte System zum Absturz bringt. Ja, so was macht mich zornig!

Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass meine Sitznachbarn im Kino – und zwar völlig egal, wann und wo ich ins Kino gehe – dass also meine Sitznachbarn spätestens fünf Minuten nach Filmbeginn ihre scheiß Rucksäcke öffnen und die Knistertüten mit Zwiebelringen – jawohl, mit Zwiebelringen! - herausholen. Und da soll ich gelassen bleiben?

Und es macht mich krank, wenn ich morgens todmüde in der U-Bahn sitze und neben mir ein Handy klingelt. Aber es klingelt nicht irgendwie normal und schon gar nicht leise. Nein, mit ohrenbetäubender Lautstärke dudelt es „Ein Stern, der Deinen Namen trägt“!

Apropos Telefon: Ich liege zu Hause auf dem Sofa, entspanne und freue mich auf Deinen Anruf. Da! Das Telefon klingelt! Ich springe auf, greife voll froher Erwartung zum Hörer – und eine Stimme vom Band sagt mir: „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben die Möglichkeit, eine Waschmaschine zu gewinnen.“

Das macht mich wütend!!

Ja, und dann geht es los: Das Blut strömt, wallt, hämmert, pulsiert durch meine Arterien, pocht in den Halsschlagadern und wummert an meinen Schläfen. Aber es transportiert keinen Sauerstoff – nein, es transportiert Zorn, Wut, Hass!

Zuerst werfe ich Gläser, dann werfe ich Stühle und am Ende werfe ich Klaviere! Ich lege meine Welt in Trümmer!!

Und das soll nicht normal sein??

Meine Eltern sagen, nein. Und dass ich mit zwölf Jahren dafür noch viel zu jung sei und wie das denn bloß werden solle, wenn ich in die Pubertät komme.