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Ich bin alt

 

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

Sehr geehrte Brüder und Schwestern,

ich bin älter als die Zeitung von gestern.

Ich bin trocken und hart wie ein gammliges Brot,

heute bin ich porös – und morgen schon tot.

Meine Augen sind trüb, meine Ohren sind taub,

mein Fell, es ist grau – ich zerfalle zu Staub.

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

 

Heute wache ich auf, jeder Knochen tut weh,

ich bräuchte ’nen Zivi für den Gang zum WC.

Die Knochen – sie knacken – es ist eine Qual,

doch ich hab keine Wahl – der Harn drängt fatal.

Alles hat seine Zeit – nur ich habe keine!

Ich schiebe die Füße und – klar – auch die Beine

mit großem Gestöhne heraus aus dem Bett,

noch mal sammeln uuuuuuund stemmen – jetzt steh ich komplett.

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

 

Ich stehe, stagniere, beginne zu wanken

annähernd so wie auf schwankenden Planken.

Karussell – das Gehirn – ist minderdurchblutet:

Es rieselt der Kalk, es dröhnt und es tutet.

Ich stell mir die Frage, mir ist nicht ganz klar,

muss ich zur Toilette – oder war ich schon da?

Doch der Druck, er wird größer; jetzt weiß ich Bescheid:

Ich geh los, keine Zeit, denn das Klo, es ist weit.

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

 

Des Treibens müde und total erschöpft

steh ich vor der Schüssel, in die es nun tröpft.

Aber nicht nur hinein, bisschen geht auch daneben.

Was soll man da machen? So ist das im Leben.

Das Geschäft und auch ich, wir sind völlig erledigt,

also wird sich nun der Klamotten entledigt.

Ich merk nicht mehr viel – aber eins merk ich doch:

Ich riech heute so, wie meine Oma sonst roch.

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

 

Ich steh vor dem Spiegel und ich seh ein Gesicht.

Oh scheiße – wer ist das? Also ich bin das nicht!

Ein Methusalem, Gammelfleisch, ja ein Greis

und im steten Wechsel wird mir heißer und heiß.

Der Lack ist ab, alles mürbe und faltig,

die Hände, die Finger, sie zittern gewaltig.

Hey Du, alter Mann, eins ist unbestritten:

Der Gipfel, der Zenit ist weit überschritten.

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

 

Fühl mich matt, bin marode – bin total geschwächt;

ob Ihr’s glaubt oder nicht: Allgemeinzustand schlecht.

Gebrechlich, entkräftet, ausgelaugt und verbraucht,

ausgelatscht, ausgelutscht und vollends geschlaucht.

Erschlagen, erschossen, lendenlahm und labil,

jeder Schritt, jeder Move ist mir schon zuviel.

Ich bin schlaff, ich bin schlapp, ich bin völlig ermattet,

groggy und fühl mich wie lebendig bestattet.

Ich bin alt - ich bin alt - ich bin alt, ich bin alt, ich bin alt.

 

Vielleicht war’s das, mein Leben – ist es jetzt so weit?

Was jetzt noch kommt, ist schon die Nachspielzeit.

War das schon alles mit Wein, mit Weib und Gesang?

Dabei hab ich doch noch nicht mal richtig angefangen!

Wo ist meine heißgeliebte Jugend hin?

Gekentert, gesunken – in Wodka und Gin.

Mein Kopf ist bleischwer, die Augen verquollen –

Hätte gestern Abend nicht so viel saufen sollen!

Hey Leute, ganz ehrlich, es war wirklich sehr nett.

Aber jetzt ist finito, ich geh wieder ins Bett!