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Die Rettung des Euro - ein Griff ins Klo?

 

Wenn ich es mir genau überlege, muss ich sagen, ich war schon vorher kein Freund des Euro. Es ist jetzt auch nicht so, dass ich noch alles in D-Mark umgerechnet habe, aber so richtig toll fand ich den Euro nie. Trotzdem stellte mich das Leben vor ein Problem, das mich dazu zwang, den Wert des Euro für mich völlig neu zu definieren.

 

Die WG-Party bei meinem Freund Jack war ein formidables Fest. Ich hatte viel Spaß und es hätte ein wirklich gelungener Abend werden können, wenn, ja wenn die WG mehr als eine Toilette gehabt hätte. Denn ganz plötzlich, wie immer aus heiterem Himmel (aber wie auch sonst?), also ganz plötzlich meldete sich mein RDS – mein akutes Reizdarmsyndrom. Durchfall-Notfallstufe Rot! Ich also zur Toilette und natürlich standen schon sechs Mann Schlange. Na super! Warten? Geht nicht! Shit! Was nun? Erstmal ein unverfängliches Gespräch mit dem Kopf der Schlange beginnen. Er heißt Anastasios, ist Grieche und lebt seit drei Jahren in Deutschland, von denen er die letzten 45 Minuten vor dieser Tür verbracht hat. Er mag Deutschland. Die Busse sind pünktlich und die Autobahnen schön. „Nee, is klar. Das könnt Ihr auch haben. Bisschen weniger Sirtaki und bisschen mehr Malochi.“ Denke ich so. Sag ich natürlich nicht. Stattdessen will ich ihm gerade erklären, dass ich Souvlaki mit Ouzo auch für ein tragfähiges Lebenskonzept halte, als Bewegung in die Sache kommt: Der Schlüssel dreht sich, die Klotür geht auf! Mit einem katzenartigen Sprung ins Bad, ein schnelles: „Äh, sorry – is dringend!“, Tür zu. Geschafft! Gürtel, Knöpfe, Hose runter und plötzlich macht es „Kling, Klong, Glup!“ Ich gucke: Ein Zwei-Euro-Stück ist ins Klo geplumpst. Perfekt!

 

Alles, was ab hier geschildert wird, lief in circa vierzig Sekunden ab. Jeder, der wahlweise schon mal einen Autounfall hatte, ein wichtiges Tor geschossen hat oder sich ebenfalls mit RDS beschäftigt, weiß, wie das funktioniert: Alles geht rasend schnell, aber Du nimmst es wie in Zeitlupe wahr. Tausend Gedanken gehen Dir in einer Sekunde durch den Kopf. Und genau das passierte jetzt.

 

Scheiße, Alter, zwei Euro! Der Monat ist fast um, das Konto ist leer. Dispo? Ham wa nich! Aktueller Kassenstand: Sieben Euro einundachtzig, Klammer auf, minus zwei Euro, Klammer zu. Das Budget für’s Wochenende. Zwei Euro, das macht in etwa 26 Prozent des Barvermögens oder so was. Mann, hol die Kohle da raus! Zwei Euro! Das sind ungefähr 1,05 Astra im Silbersack! Oder sieben Zigaretten! Von zwei Euro kannst Du bei Burger King Dein Überleben bis Montag sichern! Tu es! Rette den Euro!

 

Es klopft an der Tür: „Hallo? Fertig werden!“

Ich starre ins Becken: Wie kriege ich den Mammon aus dem Klosett? Und zwar schnell! Schließlich gibt’s einen wesentlich dringenderen Grund für meine Anwesenheit! Es eilt!! Schweißausbrüche! Jetzt heißt es: Handeln! Aber wie? Die Klobürste! Oh, nee! Das Teil ist älter als ich! Das geht ja gar nicht!

Inzwischen wird mit Fäusten gegen die Tür gebollert: „Ey! Vordrängeln ist assich!“ Hm. Was haben wir noch? Jacks Zahnbürste – schon besser! Aber habe ich nicht kürzlich gelesen, im Mund hat man mehr Keime als im Darm? Nee, dann nicht! Und überhaupt: Was ist in den letzten Stunden an diesem Ort schon alles passiert? Und wann wurde hier zuletzt sauber gemacht? Die Jack-WG lässt diesbezüglich wenig Gutes erahnen…

 

Auch auf der anderen Seite der Tür spitzt sich die Krise zu. Man rüttelt an der Türklinke. „Jaja, geht ja gleich weiter!“, keife ich.

Den Euro zu retten – ist das einen Griff ins Klo wert? Sicher nicht! Aber zwei Euro? Alter, denk nach! Mach schnell! Ey, ist egal jetzt! Ich scheiß auf den Euro! Geld wird eh überbewertet.

 

Nein! Jetzt hab ich die Lösung! Wertsteigerung tut Not! Ich werfe die restlichen 5,81 Euro auch noch in die Schüssel! Jetzt, ja jetzt lohnt es sich! Dachte ich. Aber da wird mir klar: Nee, doch nicht. So ein Mist! Ahhh, Idiot! Aber: Für zehn Euro mach ich’s! Darunter geht gar nix. Ich reiße die Tür auf. Die Leute starren mich an. Kein Wunder – ich stehe mit runtergelassener Hose da. Ach ja, richtig… Ich brülle Anastasios an: „Gib mah drei Euro!“ Er, völlig perplex, gibt mir einen Fünf-Euro-Schein. Das finde ich fair und sage: „Na ja, besser wie nix“, knalle die Tür wieder zu und schmeiße den Schein in den Jackpot. Gerade will ich alles wieder rausholen, da merke ich: Oh, Mist, Mann! Ich habe keine Zeit mehr! RDS ist nicht länger aufzuhalten. Shit!

 

Was soll ich sagen? Mein Verhältnis zum Euro hat sich an dem Abend nicht gebessert. Ich habe mir am Ende der Party von Jack zwanzig Euro geliehen, Anastasios seinen Fünfer zurückgegeben - obwohl Griechenland das eigentlich nicht verdient hat - und mir mit dem Rest ein schönes Wochenende gemacht.

 

Tja. Ich habe an dem Abend einiges gelernt:

Ich weiß nicht, ob es Wichtigeres gibt als Geld. Dringenderes auf alle Fälle.

Und: Ich habe es nicht geschafft, den Euro zu retten. Das überlasse ich ab sofort lieber anderen. Ich bin auch kein Ökonom. Aber eins weiß ich jetzt: Sollte der Euro mal wieder gerettet werden müssen, ich würde nicht noch mal so viel investieren. Das hat sich eindeutig nicht bewährt.