ich
  dietmar
  klick
  sibylle
  leer

Schlaflos

 

Halb sechs Uhr früh, ich bin erwacht

zum dritten Mal in dieser Nacht.

Ich sehe deutlich Dein Gesicht.

Ein Blick zum Wecker: „Gibt’s doch nicht!“

 

Ich setz mich auf, draußen wird’s hell,

mit Vogelzwitschern und Gebell.

Meine Gedanken geh’n zurück

an gestern Abend Stück für Stück.

 

Wir saßen in der kleinen Bar,

in der ich vorher niemals war.

War gar nicht lang, nur auf ein Bier,

jetzt lieg ich wach und denk an Dir.

 

Ich seh noch, Du kommst durch die Tür,

da sitzt Du auch schon neben mir.

Wir kannten uns ganz grob vom Seh’n

und mal ’nem kurzen Klön im Steh’n.

 

Es fällt mir auf, Du bist gestresst,

Dein Tag verlief nicht allerbest.

Speziell der Abend war es wohl,

Du brauchst jetzt dringend Alkohol.

 

Ich sage schnell dem Wirt Bescheid,

der bringt uns eine Kleinigkeit.

Dann geht es los, Du kotzt Dich aus;

des Tages Ärger, er kommt raus.

 

Du sprichst von Mackern, die Dich quäl’n,

weil ständig sie nur Mist erzähl’n.

Dir fehlen Schönheit und Niveau,

es gehe nicht mehr weiter so.

 

Bin überrascht und auch verstört,

weil Deine Stimme mich betört.

So eine Stimme – magnifique –

doch Du fährst fort mit der Kritik.

 

Inzwischen bist Du selber dran:

„Ich zeige niemals, was ich kann!“

Mit Deiner Leistung haderst Du,

ich höre fassungslos Dir zu.

 

Ich finde, das ist nicht gerecht

und sage: „Du bist gar nicht schlecht.“

So reden wir ne ganze Zeit,

doch irgendwann, da ist’s so weit.

 

Du sagst: „Ich muss jetzt leider geh’n,

werd mal nach meinen Freunden seh’n.“

Na ja, ich find das ziemlich doof,

doch mache ich mich dann vom Hof.

 

Ich fahr nach Hause, geh ins Bett

und denke: „Das war wirklich nett.“

Ich bin zufrieden, schlafe ein,

um mehrfach wieder wach zu sein.

 

Jetzt lieg ich hier, ich armer Tor,

und stell mir Deine Augen vor.

Die sind sehr schön, stelle ich fest,

die Nas, der Mund und auch der Rest.

 

Und wieder seh ich Deinen Zorn,

hab Deine Stimme in den Ohr’n.

Ich sehe, wie Du freundlich lachst

und anschließend die Biege machst.

 

Ich frag mich, denkst Du noch einmal

an unsern Klön in dem Lokal?

Eventuell. Vielleicht auch nicht.

Siehst Du womöglich mein Gesicht?

 

Vielleicht hast Du ja festgestellt:

„Das ist der tollste Kerl der Welt!

Er sieht gut aus und obendrein

scheint er ein guter Mensch zu sein.“

 

Na ja, die Meinung in mir schwankt.

Vielleicht ist das zu viel verlangt.

Für Dich war unser Treffen ganz

ohn’ jede weit’re Relevanz.

 

Vielleicht hast Du nen Freund zu Haus

und lachst womöglich mich jetzt aus.

Wie immer es auch sei und ist,

ich hoffe, dass Du glücklich bist.

 

Mir hat der Abend gut getan,

ich denke wirklich gern daran.

Ich würde Dich gern wiederseh’n,

mit Dir ein Bierchen trinken geh’n.

 

Na klar, kann’s auch ein Kaffee sein,

ne Bionade oder Wein.

Viel wichtiger als das Gebräu

ist, dass ich mich auf’s Reden freu.

 

Dann würde ich auch sehr, sehr gern

private Dinge von Dir hör’n.

Wovon Du träumst und was Du magst

und was Du nur ganz selten wagst.

 

Wüsst gern, worüber Du auch weinst

und welche Meinungen Du meinst.

Möcht wissen, welchem Gott Du traust

und wem Du auf die Fresse haust.

 

Vielleicht sogar geläng es mir,

ganz listig rauszulocken Dir,

was Dir besonders peinlich ist,

womit Du unzufrieden bist.

 

Sag, wie Du Deinen Hunger stillst

und was Du von mir lernen willst.

Am Ende würd ich fragen dann,

was ich von Dir erlernen kann.

 

Als Gegenleistung böt ich Dir,

hinein zu seh’n in mein Revier.

Würd Dir gern was von mir erzähl’n,

das Thema kannst Du selbst auswähl’n.

 

Es wird sich zeigen, ob’s passiert.

Ich wäre ziemlich interessiert.

Jetzt werd ich erst mal ausprobier’n,

noch Schlaf für mich zu generier’n.

 

Ich lösch das Licht und schlafe ein

und wünsch Dir ganz viel Sonnenschein.

Und einen wunderschönen Tag.

Warum? Na klar, weil ich Dich mag.