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Toralf geht (2002)

 

Toralf Konetzke verlässt den FC St. Pauli.

Tja. Eine gewisse Hilflosigkeit macht sich breit. Was soll man denn nun dazu sagen? Prima? Macht nichts? Schade?

Vermutlich werden noch nicht einmal besonders viele Leute bemerken, dass er demnächst nicht mehr da sein wird. Schließlich haben ja auch nicht sehr viele Leute bemerkt, dass er überhaupt da war, der Toralf. Im Stadion war zumindest niemals auch nur ein einziges Fantrikot mit der Nummer Vierundzwanzig zu sehen. Warum ist das wohl so?

Vor zwei Jahren kam er zu uns, der Ossi mit der Glatze. Aus seinen Cottbusser Zeiten erinnerte man sich ja noch an so manches Tor. Okay, der Wechsel zu Fortuna Köln mit der sensationellen Torflaute war wohl ein Fehlgriff, aber sonst wäre er ja auch nicht so günstig zu haben gewesen. Nun sollte er also gemeinsam mit Marcel Rath die zweite Liga aufmischen. Zwei Ossis für ein Halleluja. Und das ausgerechnet bei dem Klub, der unter einem jahrelangen Osttrauma litt.

Es hat halt einfach nicht funktioniert. Während das „Kampfschwein“ einen Ball nach dem anderen versenkte, ging für Toralf gar nichts. Keine Chance gegen die Konkurrenz von Rath, Ivan Klasnic und Nico Patschinski. Am Ende stand in seiner Statistik kaum mehr als völlig überflüssige Tore gegen Mannschaften wie Chemnitz und Osnabrück – über die man sich natürlich trotzdem gefreut hat.

Auch in der Bundesliga sollte es einfach nicht sein. Zwar war Klasnic jetzt weg, aber dafür standen nun die südamerikanischen „Supertechniker“ Marcao und Matias Cenci dem Toralf im Weg. Also ganz ehrlich, Toralf: Wer an denen nicht vorbeikommt, hat es einfach nicht geschafft. Immerhin - ein Bundesligator gegen Freiburg steht zu Buche. Das könnte noch sehr wichtig werden.

Decken wir also den Mantel des Schweigens über die sportlichen Erfolge des Toralf Konetzke und sehen auf den Menschen, der uns verlässt. Als Toralf im Jahr Zweitausend ans Millerntor kam, war er für viele erst mal der Ossi mit der Glatze. Hörte sich nach Carsten Jancker an oder noch schlimmer. Ließ etwa Rostock-Lichtenhagen grüßen? Zum Glück nicht. Kollektive Erleichterung machte sich breit, als bekannt wurde, die Haare waren Opfer einer Erkrankung geworden. Auch sonst outete sich Toralf bei den Leuten, die mal irgendwas mit ihm zu tun bekamen, schnell als wirklich netter Kerl. Und spätestens seit Leonardo Manzi weiß jeder, dass das reichen kann, um zur unsterblichen Legende rund um das Heiligen-Geist-Feld zu werden. Leo hat damals bekanntlich auch nicht wesentlich mehr Tore geschossen... Toralf hat eigentlich auch stets versucht, den Kontakt zum Fan zu suchen, zumindest den Kollektiv-Kontakt. Wer erinnert sich nicht an die Party in Aachen? Neben Patschinski und Daniel Scheinhardt auf dem Stadionzaun. Traurig aber wahr: Toralf hätte auch mit Geldscheinen schmeißen können – kaum jemand hätte ihn bemerkt.

Nein, Toralf ist nicht Leo. Und Toralf stand auch nie dort, wo einst Marcus Marin und Deniz Baris standen. Nämlich genau zur richtigen Zeit genau am richtigen Ort. Toralf wird zumindest für Sankt Paulianer sterblich bleiben. Vermutlich wird dies sogar der längste Nachruf bleiben, den Toralf in Hamburg erntet.

Warum also überhaupt dieser Artikel? Vielleicht, weil Toralf genau deshalb einer von uns ist, weil er nichts Großartiges gerissen hat. Er ist genau deshalb einer von uns. Kein Fußballgott, kein Erlöser, kein Unsterblicher. Einer, der dabei ist und trotzdem kaum bemerkt wird – und gerade dadurch das ausmacht, was wir alle sind: Sankt Pauli.

Alles Gute, Toralf! Zeig` den Ösis, wie man Tore macht. Vielleicht bleibt ein Teil Sankt Pauli in Dir. Walk on!