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Superdad versus Pamperspuper

 

Es ist Nacht. Durch die dunklen Straßen von Metropolis eilt Clark Kent nach einem harten Arbeitstag im Daily Planet heim zu Lois Lane. Er weiß, er wird gebraucht. Um genau zu sein: Superman wird gebraucht.

 

Nein, es ist nicht Nacht. Es ist früher Nachmittag. Und es handelt sich nicht um die dunklen Straßen von Metropolis, sondern um die verregneten Gassen Sankt Paulis. Um ganz genau zu sein, war es auch kein harter Arbeitstag im Daily Planet, dafür aber immerhin vier Stunden Unterricht an der Kreisberufsschule Pinneberg in Pinneberg. Einerlei – ich weiß, ich werde gebraucht! Um genau zu sein: Der Superheld wird gebraucht. Und sehnlichst zu Hause erwartet, zumindest seit aus mir Superdad und aus Still-Loving-Woman Love-Stilling-Mum geworden ist. Denn der alltägliche Kampf gegen das Böse hat sich direkt in unserem unmittelbaren Alltag materialisiert: Pampers-Puper, der fünf Monate alte Superschurke!

 

Ich schleppe mich durchs Treppenhaus, wohlwissend, den Kampf nicht vermeiden zu können. An der Wohnungstür erwartet mich bereits Love-Stilling-Mum. In Tränen aufgelöst schluchzt sie: „Mein Gott, Superdad! Es ist so… so…!“

Okay. Ich setze mein Superdad-Gesicht auf, nehme Love-Stilling-Mum in die Arme und sage schlaue Superheldensachen wie: „Aus dem Sohn wird der Vater und aus dem Vater wird der Sohn“ oder „Wir haben es noch nie mit so einem Wesen zu tun gehabt.“

Love-Stilling-Mum sinkt zermürbt und entkräftet zu Boden. Ich lasse sie liegen und mache mich auf die Suche nach dem Kontrahenten. Ich finde Pampers-Puper im Wohnzimmer. Offenbar hat er gerade auf unser Sofa gekotzt. Nun spielt er mit dem erbrochenen Speichel-Milch-Gemisch. Unzufriedenheit macht sich breit und wird geäußert: „Hhnnnäää, Hhnnnäää!“

Gleichzeitig werden Kind und Sofa gesäubert, ein Teddy organisiert, Love-Stilling-Mum reanimiert und ein Pastinake-Brei erwärmt. Man befindet sich bereits in der Zufütterphase.

Ursprünglich waren wir davon ausgegangen, dass wir ein Superbaby kriegen würden. Bei dem Genmix konnte eigentlich nichts schief gehen, so hatten wir gedacht. In der Realität sieht es nun allerdings anders aus. Fast scheint es, als hätte Lex Luthor persönlich uns ein Wesen zusammengebaut, das eine Kombination aus den beiden Superman-Gegnern Otis und Chemo darstellt. Otis war bekanntlich kleinwüchsig, dicklich und einfältig, dazu verfügte er über keinerlei physische oder intellektuelle Talente. All das trifft zweifelsohne auf Pampers-Puper zu. Die Parallelen zu Chemo werden gerade in diesem Moment wieder deutlich. Dieser war nämlich imstande, in seinem Körper jedes bekannte Gift und jede bekannte Säure zu produzieren und diese nach Belieben auf seine Umgebung abzusondern oder als Waffe gegen seine Gegner einzusetzen. Diese Neigung besitzt auch mein kleiner Widersacher und so breitet sich eine Duftwolke aus, die sogar Silberfische und Kellerasseln vernichtet. Gas. Biogas. „Hhnnnäää, Hhnnnäää!“

Love-Stilling-Mum schleppt sich in die Küche und keucht: „Wir sind verloren! Je mehr wir uns bemühen… desto mehr Spaß scheint es ihm zu machen!“

Wieder so ein Moment, in dem nur eine Superheldenantwort wirklich weiterhilft: „Aus großer Macht erwächst große Verantwortung, Still-Love…, äh, Love-Stilling-Mum.“

Nach der Fütterung spachtel ich die Pastinakereste von den Küchenwänden, dem Fußboden und den Fenstern. Kurz nachdem Pampers-Puper die wenigen konsumierten Breianteile erneut auf dem Sofa verteilt hat, stelle ich fest: Der Windelwechsel ist mal wieder fällig. Hörbar. „Hhnnnäää, Hhnnnäää!“ In Sachen Stoffwechsel scheint der Schurke hochbegabt zu sein. In Sachen Konversation definitiv nicht.

„Schluss mit dem Geplänkel, Pampers-Puper! Jetzt geht’s zur Sache!“, fordere ich ihn zum Duell auf der Wickelkommode. Jetzt nur keine Schwäche zeigen!

Strampler, Body und Windel werden fachmännisch entfernt, da quillt sie hervor: eine riesen Exkrementenlawine aus braunem Kryptonit! Und das schwächt bekanntlich Superheldens Körperaura. Aber ich habe nicht vor, mich einfach überrollen zu lassen! Den Fehler mache ich nicht noch einmal! Dies denkend trifft mich der Harnstrahl des Rivalen an der Stirn. Superdad hat Pipi in den Augen. Offenbar aktiviert Puper alle seine Superkräfte.

‚Muss mich zusammenreißen und… die Sache beenden! Sonst bin ich erledigt…’, schießt es mir durch den Kopf. Ich halte mit allem dagegen, was das Arsenal hergibt: Feuchttücher, Babycreme, frische Windel, Schnuller, Massageöl, neuer Body, Bernsteinkettchen, Rassel… und Küsse auf die Füße!

Und ja! Puper schwächelt! Ist das die Wende? Die Schlacht am Wickeltisch scheint entschieden. In diesem Moment stellt das kleine Monster nämlich erstmals seit unserem Zusammentreffen seine Beschwerdetätigkeiten ein. Unglaublich! Er verliert! Superdad ist der Gewinner! Yes! Superdad – Superdad – Superdad – Superdad!!

Doch da! Mein Gegenspieler spielt seinen letzten Trumpf! Er hat nicht nur sein Geschrei beendet, nein, jetzt, jetzt lacht Pampers Puper mich an und erklärt feierlich: „Hödeldödeldödel, Prrrrrr, ahaaha!“

Und da ist mir klar: Es war ein Trick! Ein fuckin’ evolution Trick! Alles ist ganz anders! Herz und Widerstand von Superdad sind vollständig zusammengebrochen. Ich bin der Besiegte. Schändlich um den kleinen Finger gewickelt. Puper, Du hast Superdad schon wieder geknackt! Ich kapituliere, verdammte Axt!

Okay, diese Runde geht an Dich, Pampers-Puper. Aber morgen ist auch noch ein Tag…